Vor dem zweiten Weltkrieg
rund um Bergisch Born
rund um Bergisch Born
Von Reinhard Diesing:
Am 12. Dezember 1934 fand auf dem Hückeswagener Sportplatz die Eingliederung der Sportjugend in die HJ (Hitler Jugend) und in den BdM (Bund deutscher Mädel) statt.
Anfang 1935 hatten in Remscheid 2352 Menschen ein Auto.
In diesem Jahr gelang der Fußballmannschaft des Turn‑ und Spielvereins Bergerhöhe, Bergisch Born der Aufstieg in die nächst höhere Klasse.
Am 13. und 14. Juni beging Hückeswagen seine 850‑ Jahr Feier. Die Feierlichkeiten wurden durch Glockengeläut der Kirchen und dem Marsch der uniformierten Formationen der NSDAP durch die Innenstadt eingeleitet.
Abends war ein Fackelzug unter Beteiligung der SA, SS, HJ und sämtlicher Ortsvereine mit großem Feuerwerk und Schlossbeleuchtung. Der Schlossplatz hieß zu dieser Zeit „Adolf Hitler Platz“.
Ab dem 21. August 1935 wurde den jüdischen Mitbürgern das Benutzen der Badeanstalten verboten. In Hückeswagen wurden Plakate mit folgendem Text aufgehängt: „Volksgenossen, achtet darauf, dass sich die Juden nicht an unserer Bevertalsperre einnisten“.
Ab Herbst 1935 hieß es: „Die Innenbeleuchtung aller benutzten Räume ist bei Eintritt der Dunkelheit so abzublenden, dass kein Licht nach außen dringt. Der Reichsschutzbund“. Ende 1935 kam auf 15 Einwohner ein privates Telefon.
Im März 1936 stimmten 99,9 % aller wahlberechtigten Deutschen für den Führer Adolf Hitler.
Der April des Jahres war gekennzeichnet durch einen unerwarteten Schneesturm, der großen Schaden in der Natur anrichtete. Remscheid war zwei Tage fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten.
Am 2. Juli wurde die gesamte Feuerwehr, auch die Bergisch Borner und Lüdorfer, in eine Polizeitruppe umgewandelt. Ein straffer Dienst wurde eingeführt.
Im August waren viele Siegerinnen der Olympiade auf Schloss Burg zu Gast. Egal ob Deutsche, Amerikanerin, Polin, Japanerin, oder Chilenin, sie wurden alle von der Bevölkerung gefeiert.
Ende 1936 nahm Remscheid in der Arbeitslosenstatistik des Rheinlandes den günstigsten Platz ein: nur 1557 Menschen ohne Arbeit.
Die Arbeitslosenzahl sank weiter: im September 1 937 waren in Remscheid nur noch 676 Menschen ohne Arbeit.
1937 feierte die Kipper‑ Brauerei in Remscheid ihr 100‑ jähriges Bestehen.
Aus Rönsal zog Carl Wilhelm Kipper (1808 ‑ 1880) zu seinem Bruder nach Hückeswagen, der ein Hammerwerk besaß und in Kleineichen eine Wirtschaft betrieb. Diesen Kontakt mit dem Brauen vertiefte der junge Kipper durch eine Lehre in Mülheim an der Ruhr. 1837 pachtete er das kleine Brauhaus in der Gerstau. Schon 1844 zog er zum Birgderkamp und braute fortan im eigenen Haus.
1937 begannen die Nazis damit, Juden aus dem Wirtschaftsleben zu drängen. Geschäfts‑ und Firmeninhaber zwang man, ihre Unternehmen ‑ erheblich unter Wert ‑ zu verkaufen.
Im Herbst des Jahres jubelte der Remscheider Generalanzeiger in höchsten Tönen über die Arbeitsleistung an der Reichsautobahn, die von Leverkusen über Wermelskirchen Richtung Kamen vorangetrieben wurde.
„Und immer wieder ziehen uns die großen Bauwerke an, deren stolzestes sich in elf riesigen Bögen über das Höllenbachtal spannt. Droben in luftiger Höhe mauern die Maurer das Halbrund der Bögen. Weit unten schaffen ihre Arbeitskameraden an den Nebenpfeilern, und wiederum tiefer pfeift die Lok der Kleinbahn, die über die Transportbrücke zischt“.
In 1938 wurden die jungen Männer der Jahrgänge 1918 und 1919 gemustert.
Die erste nationalsozialistische Eheschließung in Hückeswagen fand am 9. März durch den Ortsgruppenleiter Grau nach der standesamtlichen Trauung statt.
Nach dreijähriger Bauzeit wurde die neue Bevertalsperre am 14. Juni fertiggestellt. Am Bau des gewaltigen Dammes, der das Bevertal bei Reichshagenbever in einer Breite von 500 Metern absperrt, hatten 1000 Mann gearbeitet. Für den Bau des Dammes wurden rund 20 Kilometer Kleinbahngleise verlegt.
Ab September 1938 wurden Wegweise zu den Sammelschutz‑räumen angebracht.
Es verging kein Feiertag ohne Flaggenhissung, ohne Nationalhymne und Horst Wessel Lied, und mochte dem Schulanfänger auch der Arm, der die Fahne grüßte, lahm werden, der Lehrer bot sich Ausdauer aus.
Im Laufe des Jahres gerieten immer mehr Mitbürger ins Abseits, wurden wegen politischer Unzuverlässigkeit verfolgt oder eingesperrt, wegen rassischer Vorurteile verschleppt. Sichtbar für die Außenwelt wurde davon wenig.
Noch ließ sich das Volk von den Leistungen der Nationalsozialisten blenden, man glaubte an eine bessere, von den Segnungen des Fortschrittes begleitenden Zeit.
Volksempfänger machten den Rundfunk zu einem Bestandteil des täglichen Lebens in nahezu jeder Familie. Vorzeige‑ Volkswagen ließen den Traum von der Motorisierung breiter Volksschichten greifbar werden. In Remscheid fuhren 4509 Fahrzeuge.
„Die antijüdischen Kundgebungen, die im ganzen Reich stattfanden, waren auch in Remscheid zu verzeichnen“. Viel mehr berichtete der RGA nicht über die Reichskristallnacht am 10. November 1938. Kein Wort von zersplitterten Fensterscheiben, den in Haft genommenen Juden, dem jüdischen Kaufmann, der sich das Leben nahm oder dem kurz und klein geschlagenen Betraum der Juden.
Das Jahr 1939 rückte heran. Die Deutschen hatten unter Hitlers Regime Österreich „heim ins Reich“ geholt, die Sudetenfrage nach ihrem Geschmack geregelt. Zum nationalen Feiertag der Deutschen, dem 1. Mai, wurde das Standbild des Bergischen Löwen auf dem ehemaligen Kaiserplatz in Remscheid enthüllt.
2410 Frauen erhielte das Mutterehrenkreuz.
Im Juni wurde am Kenkhauser Berg die dritte Reichsautobahnbrücke auf Wermelskirchener Gebiet eingeweiht. Ab 2. September war die Autobahn von Köln bis Ausfahrt Schloss Burg „unter Verkehr“.
Die erste regelrechte Luftschutzübung wurde im Juni durchgeführt. Diese Übung war offenbar die letzte Maßnahme, die Bevölkerung auf den bevorstehenden Krieg vorzubereiten.
Im August vergab die Stadt Remscheid den Auftrag zum Bau eines Luftschutzbunkers im Kraspütt in Lennep. Sofort wurde mit dem Bau begonnen.
In der Bevölkerung deutete man die Zeichen, die für einen bevorstehenden Krieg sprachen, richtig. Wozu sonst gab es seit einiger Zeit Lebensmittelkarten für besondere Nahrungsmittel? Warum die auffällige Vorratswirtschaft, die Einlagerung großer Mengen von Kartoffeln und Getreide? Worauf deuteten Metallsammlungen und Bunkerbauten hin?
Der Zweite Weltkrieg
Um Hamsterkäufe zu vermeiden wurden zu Beginn des Krieges sämtliche Geschäfte geschlossen und eine sorgfältige Bestandsaufnahme durchgeführt. Auch wurde sofort das Kartensystem eingeführt. Nur noch aufzubekommen: Waschmittel, Kohlen und Koks Öle, Fette, Fleisch und Kaffee, Zucker und Marmelade, Brot oder Mehl. Die entsprechen den Verordnungen galten vorerst vier Wochen. Schon am 26. August 1939 wurde Hückeswagen für Reservisten zur Aufstellung von Formationen in Hambüchen Großberghausen und Hammerstein. Und zwar handelte es sich um zwei Wachkompanien und ein Pferdelazarett. Die in Hückeswagen aufgestellten Formationen verließen am 28. August die Stadt in Richtung Osten.
Von Reinhard Diesing †
Fortsetzung aus dem „Bergisch Borner Blättchen“ von Dezember 1999