Die Jahre 1923-1930
rund um Bergisch Born
rund um Bergisch Born
Von Reinhard Diesing:
Am 6. Februar 1923 wurde die Kreisstadt Lennep von französischen Truppen eingenommen und am gleichen Tag wurde auch Bergisch Born besetzt. Die Franzosen fuhren in fünfzig Lastautos an der Wirtschaft „Reuter“ vor. Ein Panzer stand an dem Eisenbahndienstgebäude. Die Brotfabrik Buchholz und die Schule Bornefeld wurden von französischen Soldaten besetzt. Gleichzeitig besetzte man den Bahnhof Winterhagen. Die Franzosen erschienen hier mit fünf Autos und 200 Soldaten.
Eine Maschinengewehrabteilung, Panzerwagen und 100 Soldaten zogen weiter nach Hückeswagen. Am 13. Februar zog die Besatzung von Hückeswagen zurück nach Bergischborn, um von hier aus eine scharfe Kontrolle aller Kohlenzüge vorzunehmen.
Am 14. Februar beschlagnahmte man auf dem Bahnhof Bergisch Born den von Elberfeld nach Hückeswagen zurückfahrenden hiesigen Metzgern sämtliche Fett, Speck‑ und Fleischwaren.
Vom 23. Februar 1923 ab hielten die französischen Besatzer zunächst alle Kohlenzüge in Bergisch Born fest. Am nächsten Tag kam es zu einem ernsten Zwischenfall. Die Franzosen verhafteten Reisende, die keinen Ausweis bei sich hatten und auf einen Fliehenden wurde geschossen.
Am 9. März wurde Hückeswagen wieder von französischen Soldaten besetzt. Ab sofort wurden die Milchtransporte nach Wuppertal verboten. Da immer noch abseits der großen Landstraßen Schmuggeltransporte in das unbesetzte Deutschland gingen, wurden die Straßen durch aufgerissene Gräben, die einen Meter tief waren, gesperrt. Ein Liter Milch kostete zu dieser Zeit 950 Mark.
Die Franzosen verhängten eine nächtliche Ausgangssperre. Erst am 24. Januar 1924 rückte die französische Besatzung ab, aber es blieben Gendarmen und Zöllner, die in den umliegenden Wäldern reichlich wilderten. Am 18. Oktober verließen die letzten Franzosen Bergisch Born und Hückeswagen.
Im Juli 1925 machte eine tropische Hitzewelle das Leben im Bergischen Land recht schwer, im September desselben Jahres traten in Hückeswagen zwei Typhus Fälle auf.
Im Februar 1926 verließen die englischen Besatzungstruppen Wermelskirchen, das im rechtsrheinischen „Brückenkopf Köln“ lag. Nachdem die Briten abmarschiert waren, fanden sich tausende Wermelskirchener auf dem Markt zu einer „Befreiungsfeier“ ein. Das Café Wild in Wermelskirchen hieß in der Weimarer Republik noch „Restaurant Kaiser Friedrich III.“ Während der britischen Besatzungszeit diente der Bahnhof Kräwinklerbrücke als Schmuggelzentrale der Wermelskirchener Schuhindustrie. Von hier aus ging der Schuhtransport in das unbesetzte und freie Deutschland.
Durch die Einführung der neuen Rentenmark stabilisierten sich die Preise wieder. Ein Liter Milch kostete im April 1926 30 Pfennige.
Im Mai 1926 wurde die katholische Kirche St. Andreas in Bergisch Born geweiht.
Ab Januar 1927 plante der ATV Hückeswagen den Bau einer Turnhalle. Schon seit 1889 sei der „Allgemeine Turnverein“ dabei gewesen, diesen Plan zu verfolgen:
1906 wurde der Turnplatz am Vogelsberg gekauft, immer weiter wurde gearbeitet und gesammelt, bis die Inflation alle schönen Hoffnungen zunichtemachte. Doch 1927 war schon eine beträchtliche Summe zusammengekommen.
Veränderte Verteilung der Bevölkerung zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb der Provinzen, legte nach dem Krieg die Überlegung nahe, eine Veränderung der Kommunalgrenzen den gewandelten Realitäten anzupassen. Man erhoffte sich davon unter anderem eine Vereinfachung der Verwaltungsabläufe.
Am 12. Januar 1928 lag ein Entwurf des preußischen Regierungspräsidenten für das Bergische Land vor. Danach sollte Remscheid um Lennep, Lüttringhausen und Bergisch Born erweitert werden. Ob auch Wermelskirchen und Burg hinzukämen, sollten die Bürger entscheiden.
Nun wurden Gutachten und Stellungnahmen verfasst, Werbefeldzüge veranstaltet und viel geredet. Doch die Entscheidung fiel erst 1929.
Es waren gerade einige Jahre her, dass die Inflation die mittelständischen Vermögen aufgezehrt hatte, von den kleinen Sparguthaben der Arbeiter ganz zu schweigen. Aber kaum war ein stabiler Geldwert geschaffen worden, hatte auch schon die große Weltwirtschaftskrise, die den politischen Umwälzungen der dreißiger Jahre vorausging, ihren Anfang genommen.
Diese Krise begann für viele Firmen mit dem Zwang zur Kurzarbeit, führte später zur Entlassung von Mitarbeitern und verschärfte sich schließlich so, dass das gesamte heimische Wirtschaftsleben verödete wie zur Zeit des Großherzogtums Berg. Die immer weiter um sich greifende Arbeits- und Erwerbslosigkeit lähmte jede private und kommunale Initiative. Vor allem der Bauwille schlief immer mehr und mehr ein. Begonnene Vorhaben wurden vielfach aus Geldmangel nicht zu Ende geführt.
Die Erwerbslosen, die nur eine geringe Unterstützung erhielten und auf Anschaffungen verzichten mussten, um ihr Leben überhaupt fristen zu können, suchten ihr Lage durch Kleintierzucht und Gartenwirtschaft zu verbessern seitens der Stadt wurden damals Notstandsarbeiten vergeben, zu deren Durchführung jüngere Erwerbslose eingesetzt wurden.
Die herrschende Arbeitslosigkeit hatte zur Folge, dass die Landstraßen sehr von Wanderburschen bevölkert waren. Vom 31. März 1928 bis zum 1. April 1929 mussten in Hückeswagen 997 Obdachlose aufgenommen und verpflegt werden.
Am 1. August 1929 wurden die neuen Gemeindegrenzen gezogen. Lennep und Lüttringhausen verloren ihre kommunale Selbständigkeit und gingen in Remscheid auf. Beyenburg kam zu Wuppertal, Bergischborn wurde dreigeteilt: Der größte Teil blieb bei Hückeswagen, große Teile kamen zu Wermelskirchen und Remscheid.
Nach der Auflösung des Kreises Lennep wurde der Rhein-Wupper‑ Kreis gebildet, Kreisstadt wurde Opladen, das recht weit weg lag.
Von Reinhard Diesing †
Fortsetzung aus dem „Bergisch Borner Blättchen“ von Dezember 1999